Abteilung Empirische Schul- und Unterrichtsentwicklungsforschung
Warum gelingt es manchen Lehrkräften besser anregende Lernumgebungen zu gestalten und die kognitive und motivationale Entwicklung der Lernenden zu fördern als anderen? Wie können (angehende) Lehrkräfte in ihrer professionellen Entwicklung bestmöglich unterstützt werden?
Fragen wie diesen gehen wir in unserer Abteilung nach, indem wir die professionelle Kompetenz von Lehrkräften untersuchen. Diese wird beschrieben als ein Bündel aus kognitiven (z.B. Wissen und Überzeugungen) sowie motivational-affektiven (z.B. Motivation und Selbstregulation) Aspekten, die als Voraussetzung für erfolgreiches Lehrkrafthandeln gelten.
In unserer Forschung interessieren wir uns für die Erfassung und Modellierung der Effekte der verschiedenen Aspekte professioneller Kompetenz sowie für deren Entwicklung und Förderung. Ein Schwerpunkt unserer Forschung liegt auf der Untersuchung des pädagogischen-psychologischen Wissens, der professionellen Überzeugungen und der emotionalen Anpassung von Lehrkräften in der Berufseinstiegsphase.
Wir möchten somit durch unsere Forschung langfristig dazu beitragen, die Lehrer*innenbildung und die Qualität des schulischen Unterrichts zu verbessern.
Wir führen dazu groß angelegte (längsschnittliche) Lehrkraftstudien sowie quasi-experimentelle Studien in unterschiedlichen Lehrer*innenpopulationen durch und verwenden Daten aus folgenden laufenden und abgeschlossenen Projekten:
- Datensätze des COACTIV-Forschungsprogramms: Cognitive activation in the mathematics classroom and professional competence of teachers
Im Rahmen des Forschungsprogramms COACTIV wurde am Beispiel des Fachs Mathematik die professionelle Kompetenz von Lehrkräften untersucht. Unsere Arbeitsgruppe kooperiert eng mit der ehemaligen COACTIV-Arbeitsgruppe (z.B. Prof. Dr. Mareike Kunter, Prof. Dr. Uta Klusmann, Prof. Dr. Dirk Richter, Prof. Dr. Thilo Kleickmann).
Das Forschungsprogramm umfasste zwei Hauptstudien mit zahlreichen Zusatzstudien, die am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (Forschungsbereich Erziehungswissenschaft und Bildungssysteme, Leitung Prof. Dr. Jürgen Baumert) konzipiert und durchgeführt wurden.
COACTIV: Hauptstudie 1
Die erste Hauptstudie war eingebettet in die nationale Erweiterungsstudie zu PISA 2003. In einer Stichprobe von über 300 Mathematiklehrkräften wurden kognitive sowie motivational-affektive Aspekte professioneller Kompetenz erstmals direkt mittels Test-und Fragebogenverfahren gemessen und deren Bedeutung für die Unterrichtsgestaltung und den Lernerfolg der Schüler*innen untersucht.
COACITV-R: Hauptstudie 2
In der COACTIV-Referendariatsstudie wurde die professionelle Entwicklung von Lehramtskandidat*innen während des Vorbereitungsdienstes untersucht und der Frage nachgegangen, welche individuellen und institutionellen Faktoren diese Entwicklung begünstigen.
In dieser Broschüre haben wir die wichtigsten Ergebnisse der COACTIV-R Studie für die ehemaligen Studienteilnehmer*innen zusammengefasst.
Mehr Informationen zur Studie COACTIV finden Sie hier, und weitere Informationen zur Studie COACTIV-R finden Sie hier.
Ansprechpartnerin am Institut für Erziehungswissenschaft: Thamar Voss
Finanzierung: COACTIV, COACTIV-R
CuPha: Curriculum Phasenübergreifend im Lehramt
Das Lehramt am Standort Freiburg wird von der Universität Freiburg und der Pädagogischen Hochschule Freiburg zusammen mit den Staatlichen Seminaren für Lehrerbildung gemeinsam getragen. Während die beiden Hochschulen für die erste Phase verantwortlich sind, sind die Staatlichen Seminare für das Referendariat (zweite Phase) und im gymnasialen Lehramt auch für das Schulpraxissemester zuständig. Die historisch bedingte Aufteilung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche bringt es mit sich, dass die jeweiligen phasenspezifischen Curricula bislang nicht systematisch aufeinander abgestimmt sind. Eine solche Abstimmung über die Phasen der Lehramtsausbildung hinweg stellt jedoch ein zentrales Desiderat dar. Daher ist das Ziel der Abstimmung der Phasen der Lehrerbildung in Freiburg, die Studierenden systematisch dabei zu unterstützen, ihre schulpraktischen Erfahrungen mit wissenschaftlichen Theorien und empirischer Evidenz absichtsvoll zu verbinden. Dazu werden die Lerngelegenheiten der Phasen der Lehrerbildung an den Hochschulen und Staatlichen Seminaren curricular und instruktional miteinander verzahnt.
Theoretische Grundlage für die Abstimmung ist der Core Practice Ansatz (Forzani, 2014). Core Practices sind Kerntätigkeiten, die häufig im Unterricht vorkommen, in verschiedenen Fächern relevant sind und das Lernen der Schüler*innen effektiv unterstützen (Grossman et al., 2009; McDonald, Kazemi, & Kavanagh, 2013). Beispiele für solche Kerntätigkeiten sind Störungen vorbeugen, Kooperatives Lernen anleiten, Testaufgaben erstellen, Feedback geben oder Erklären. Die Core Practices lassen sich in die zur ihrer erfolgreichen Ausübung notwendigen Wissenskomponenten zerlegen. Die Core Practice Störungen vorbeugen beinhaltet beispielsweise Wissen über Konzepte (z.B. Was ist ein positiver Verstärker?), Wissen über Prinzipien (z.B. Was besagt das Prinzip der positiven Verstärkung?) und Wissen über Prozeduren (z.B. Wie gehe ich als Lehrkraft bei dem Einsatz eines individuellen Verstärkerplans vor?). Auf der Grundlage dieser Zerlegung können passgenaue Lehr-Lern-Formen entwickelt werden, die den Erwerb der beteiligten Wissenskomponenten unterstützen (Smith & Ragan, 2005). Im Rahmen des Projekts CuPha am Standort Freiburg setzen wir dieses Vorgehen wie folgt systematisch um: Ausgehend von ausgewählten Core Practices werden (1) die Inhalte und Qualifikationsziele bestimmt, (2) die zur Erreichung notwendigen Wissenskomponenten definiert und in Lernziele überführt, (3) Lehr-Lern-Formen zur gezielten Förderung der identifizierten Wissenskomponenten entwickelt, (4) diese Lehr-Lern-Formen über das Studium sequenziert und (5) anhand von Tests die Kompetenzen zu Erreichung der Lernziele überprüft.
Ansprechpartnerin am Institut für Erziehungswissenschaft: Thamar Voss, Jörg Wittwer, Matthias Nückles
Finanzierung: „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)
Zentrale Veröffentlichungen:
Voss, T., Wittwer, J., & Nückles M. (2019). Kohärenz zwischen Theorie und Praxis durch Fokussierung auf Core Practices. Ein instruktionspsychologischer Ansatz zur Abstimmung der Phasen der Lehrerbildung. In BMBF(Hrsg.) Sammelband zum Thema „Profilbildung Lehramt“ (S. xx).
Wittwer, J., Kratschmayr, L., & Voss, T. (2019). Wie gut erkennen Lehrkräfte typische Fehler in der Formulierung von Lernzielen? Unterrichtswissenschaft. Advance online Publikation.
SkeBi: Skeptizismus gegen über den Bildungswissenschaften
Das „Akzeptanzproblem“ (Hartmann& Weiser, 2007) der Bildungswissenschaften, das sich in der geringen Wertschätzung für die bildungswissenschaftliche Disziplin und die entsprechenden Studienanteile im Rahmen des Lehramtsstudiums ausdrückt, steht in Widerspruch zu Ergebnissen der empirischen Lehr-Lern-Forschung, die dem bildungswissenschaftlichen Wissen eine wichtige Rolle für die Bewältigung des beruflichen Alltags im Lehrkraftberuf zuspricht (z.B. Voss et al., 2014). Wir gehen der Frage nach, wie stark diese Skepsis gegenüber den Bildungswissenschaften in aktuellen Lehramtskohorten ausgeprägt ist. Die bisherigen Ergebnisse bestätigen eine deutliche Geringschätzung der bildungswissenschaftlichen Studienanteile im Vergleich zu den fachwissenschaftlichen Anteilen; zum Beispiel werden bildungswissenschaftliche Inhalte im Vergleich zu fachlichen Inhalten als weit weniger komplex und weniger bedeutsam für den beruflichen Erfolg einer Lehrkraft betrachtet. In weiteren Studien gehen wir den Konsequenzen dieser negativen Einstellungen zu den Bildungswissenschaften für die Rezeption von Evidenz aus der Lehr-Lernforschung oder das Lernen im bildungswissenschaftlichen Studium nach und erforschen die Ursachen dieser Skepsis.
Wittwer, J., Voss, T., & Ernst, H. (2019, August). Are educational sciences too soft? Student teachers’ attitudes towards educational sciences. Poster presented at the 18th Biennial EARLI Conference, Aachen, Germany.
Zentrale Veröffentlichungen:
Baumert, J., Kunter, M., Blum, W., Brunner, M., Voss, T., Jordan, A., . . . Tsai, Y.-M. (2010). Teachers’ mathematical knowledge, cognitive activation in the classroom, and student progress. American Educational Research Journal, 47(1), 133–180. doi:10.3102/0002831209345157
Gindele, V., & Voss, T. (2017). Pädagogisch-psychologisches Wissen: Zusammenhänge mit Indikatoren des beruflichen Erfolgs angehender Lehrkräfte. Zeitschrift für Bildungsforschung, 7(3), 255–272. doi:10.1007/s35834-017-0192-5
Klusmann, U., Kunter, M., Voss, T. & Baumert, J. (2012). Berufliche Beanspruchung von angehenden Lehrkräften: Die Effekte von Persönlichkeit, praktischer Vorerfahrung und professioneller Kompetenz. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 26(4), 275–290. doi: 10.1024/1010-0652/a000078
Kunter, M., Klusmann, U., Baumert, J., Richter, D., Voss, T., & Hachfeld, A. (2013). Professional competence of teachers: Effects on instructional quality and student development. Journal of Educational Psychology, 105(3), 805–820. doi: 10.1037/a0032583
Voss, T., Kunter, M., & Baumert, J. (2011). Assessing Teacher Candidates’ General Pedagogical and Psychological Knowledge: Test Construction and Validation. Journal of Educational Psychology, 103(4), 952–969. doi: 10.1037/a0025125
Voss, T., Kunter, M., Seiz, J., Hoehne, V., & Baumert, J. (2014). Die Bedeutung des pädagogisch-psychologischen Wissens von angehenden Lehrkräften für die Unterrichtsqualität. Zeitschrift für Pädagogik, 60(2), 184–201.
Voss, T., Wagner, W., Klusmann, U., Trautwein, U., & Kunter, M. (2017). Changes in beginning teachers’ classroom management knowledge and emotional exhaustion during the induction phase. Contemporary Educational Psychology (51), 170–184. doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.cedpsych.2017.08.002
- ThinK: Using digital media to assess generic aspects of teacher knowledge in different educational contexts
Ziel des Projekts war die Entwicklung eines Messinstruments zur reliablen, validen und ökonomischen Erfassung des pädagogischen-psychologischen Wissens in verschiedenen Bildungskontexten, das die Vorteile digitaler Medien zur Kompetenzmessung nutzt. In verschiedenen Studien im Schulkontext (allgemeinbildende sowie berufliche Schulen) sowie der Erwachsenenbildung wurde das digital administrierbare Instrument erprobt. Durch Gruppenvergleiche (Lehrkräfte unterschiedlicher Bildungskontexte, Fächer, Schulformen und Expertisegrade) und Studien zum Zusammenhang des pädagogischen-psychologischen Wissens mit der Unterrichtsqualität wurden Erkenntnisse über die Antezedenzien und Konsequenzen pädagogischen-psychologischen Wissens generiert.
Im Rahmen des Projekts arbeiteten wir eng mit der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Josef Schrader (Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE)) zusammen.
Ansprechpartnerin am Institut für Erziehungswissenschaft: Thamar Voss
Finanzierung: WissenschaftsCampus Tübingen, Netzwerk Bildungsforschung der Baden-Württemberg Stiftung
Zentrale Veröffentlichungen:
Marx, C., Goeze, A., Voss, T., Hoehne, V., Klotz, V. K., & Schrader, J. (2017). Pädagogisch-psychologisches Wissen von Lehrkräften aus Schule und Erwachsenenbildung: Entwicklung und Erprobung eines Testinstruments. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 20(Suppl 1), 165–200. doi:10.1007/s11618-017-0733-7
Voss, T., Goeze, A., Marx, C., Hoehne, V., Klotz, V., & Schrader, J. (2017). Using digital media to assess and promote school and adult education teacher competence. In J. Buder & F. W. Hesse (Eds.), Informational Environments - Effects of Use, Effective Designs (pp. 125–148). New York: Springer.
Voss, T., Kunina-Habenicht, O., Hoehne, V., & Kunter, M. (2015). Stichwort Pädagogisches Wissen von Lehrkräften: Empirische Zugänge und Befunde. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18(2), 187–223. doi: 10.1007/s11618-015-0626-6
- Migration und Bildung: Interdisziplinäre Perspektiven auf aktuelle Herausforderungen an das deutsche Bildungssystem
Ausgangspunkt des Projekts war die aktuelle Flüchtlingsthematik und die Frage welche Herausforderungen diese Situation kurz- und langfristig an das deutsche Bildungssystem stellt. Es wird die Heterogenität von Schüler*innen und potenzielle Schwierigkeiten von Immigrant*innen untersucht sowie Lösungsansätze mit Blick auf die besondere Situation von Flüchtlingskindern und – jugendlichen entwickelt. Aus dem Blickwinkel unterschiedlicher Disziplinen wird ein übergreifendes Rahmenkonzept erarbeitet sowie Kernfragen identifiziert, denen in interdisziplinären Projekten nachgegangen wird.
In dem Projekt arbeiten wir eng mit den Forscher*innen am Hector Institut für Empirische Bildungsforschung in Tübingen (z.B. Prof. Dr. Benjamin Fauth) zusammen.
Ansprechpartnerin am Institut für Erziehungswissenschaft: Thamar Voss
Finanzierung: Exploration Funds der Universität Tübingen
- SPOT: Self-perception of teachers
- TRACE: Eye tracking study on classroom management expertise: A comparison of novice and experienced teachers
Unterrichten stellt auf Grund der hohen Komplexität des Geschehens im Klassenraum (angehende) Lehrkräfte vor große Herausforderungen. Angehende Lehrkräfte müssen daher die Kompetenz erwerben, Unterrichtssituationen effektiv zu steuern, um Störungen vorzubeugen und die time on task auf Seite der Lernenden zu maximieren. Dazu werden in den Klassensituationen permanent Informationen von den Lehrkräften aufgenommen, um davon ausgehend Entscheidungen treffen und handeln zu könne. Diese Informationen werden unter anderem visuell durch die Betrachtung des Unterrichtsgeschehens gewonnen. Wir untersuchen in dieser Eye-Tracking-Studie, wie angehende und erfahrene Lehrkräfte Unterrichtsszenen wahrnehmen und ob bzw. wie sie sich in ihrem Blickverhalten unterscheiden. In Kombination mit verbalen Interview-Daten möchten wir herausfinden, wie angehende und erfahrene Lehrkräfte beim Betrachten von Unterrichtssituationen vorgehen und ob erfahrene Lehrkräfte über visuelle Wahrnehmungs-Strategien verfügen, von deren Erwerb angehende Lehrkräfte profitieren können.
Ansprechpartnerin am Institut für Erziehungswissenschaft: Jasmin Leber
Finanzierung: „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und Eigenmittel
Zentrale Veröffentlichungen:
Leber, J., & Voss, T. (2018, June). What does expert and novice teachers’ gaze reveal about their classroom management competence? Poster presented at the special interest group meeting of EARLI SIG 27 Online Measures of Learning Processes, Warsaw, Poland.
- ViBi: Einsatz von Videos in bildungswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen des Lehramts
Lehramtsstudierenden fällt es oft schwer, das in der Universität vermittelte Wissen mit den praktischen Anforderungen des Lehrerberufs zu verknüpfen. Der Einsatz von Videos kann den Erwerb professioneller Kompetenzen unterstützen, indem die Anwendung des erworbenen Wissens in komplexen Unterrichtssituationen erleichtert wird. In dem Projekt werden Unterrichtsvideos zu zentralen Tätigkeiten von Lehrkräften erstellt. Die im Rahmen des Projekts entstehenden Unterrichtsvideos sollen in die hochschulische Lehrerbildung im Rahmen des bildungswissenschaftlichen Studiums eingebunden werden und so zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lehrerbildung beitragen.
Ansprechpartnerin am Institut für Erziehungswissenschaft: Julia Kienzler
Finanzierung: Studierendenvorschlagsbudget (SVB) 2018 der Universität Freiburg